Unternehmensübernahmen und -beteiligungen marktprägend für Handel mit deutschen Einzelhandelsimmobilien

  • Transaktionsvolumen von 7,5 Milliarden Euro erreicht Niveau der beiden Vorjahre im Vergleichszeitraum Januar bis September
  • Immer noch zahlreiche Großportfolien und Einzeldeals im Markt, die noch nicht zum Abschluss gekommen sind
  • Renditen tendieren uneinheitlich

München, 7. Oktober 2019 – Nach Angaben von Colliers wurden zwischen Januar und September 2019 rund 7,5 Milliarden Euro in deutsche Einzelhandelsimmobilien investiert – so viel wie in der Vergleichsperiode der beiden Vorjahre. Trotz des soliden Ergebnisses sank der Marktanteil, der vor 12 Monaten bei 20 Prozent lag, auf 17 Prozent ab. Diese Entwicklung ist vor allem auf die herausragende Dynamik im Bürosegment zurückführen. Hier sorgten zahlreiche Landmarkdeals dafür, dass 53 Prozent des im Jahresverlauf registrierten Kapitals in Büroimmobilien flossen und das Einzelhandelssegment als zweitstärkste Assetklasse somit relativ an Bedeutung einbüßte.

Ein Viertel des Quartalsumsatzes auf Unternehmensbeteiligungen zurückzuführen

Dirk Hoenig-Ohnsorg, Head of Retail Investment bei Colliers: „Eine zukunftsweisende Entwicklung, die am deutschen Investmentmarkt in den vergangenen drei Monaten deutlich zu beobachten war, hat das Transaktionsgeschehen im Retail-Segment äußerst stark geprägt. So wurden mehr als 600 Millionen Euro bzw. 23 Prozent des im dritten Quartal registrierten Transaktionsvolumens in Form von Unternehmensbeteiligungen getätigt. Im Vergleich dazu lag der Anteil des so transferierten Immobilienvermögens am Gesamtmarkt mit immerhin 2,4 Milliarden Euro bei 13 Prozent. Besonders hervorzuheben ist hier der Einstieg der Private Equity-Fondsgesellschaft Madison sowie des Family Offices FFP, hinter dem die Peugeot-Familie steht, bei Signa zu jeweils fünf Prozent. Aufgrund des Portfolioschwerpunktes der österreichischen Immobilien AG sind rund drei Viertel des Transferbetrages dem Einzelhandel zuzurechnen. Es handelt sich bei den gehaltenen Objekten insbesondere um innerstädtische Warenhäuser aus der kürzlich vollzogenen Fusion von Karstadt und Kaufhof sowie einige hochkarätige innerstädtische Geschäftshäuser in den großen Investmentzentren des Landes.“ Mit 13 Prozent stieg außerdem TLG bei Aroundtown ein, das neben deutschen Büro- und Hotelimmobilien als Schwerpunkt auch zahlreiche Metro-Großhandelsmärkte besitzt.

Matthias Leube, CEO bei Colliers Deutschland: „Auch wenn es sich in allen Fällen zunächst nur um Minderheitsbeteiligungen handelt, stellen sie volumenmäßig eine bedeutende Größenordnung dar. Diese Form des indirekten Immobilieninvestments ist die Reaktion von eher risikoaversem Privatkapital, aber auch von institutionellen Anlegern auf Liquiditätsdruck und Produktmangel, die angesichts der erneuten Lockerung der Geldpolitik durch die EZB weiter verstärkt werden.“ Hoenig-Ohnsorg ergänzt: „Wegen des im Vergleich zum Bürosegment generell limitierten Core-Produktangebotes von Einzelhandelsobjekten schlägt diese Entwicklung in der Assetklasse stärker durch. Ähnlich motiviert konnten im Übrigen in den vergangenen zwei bis drei Jahren Übernahmen von ganzen Unternehmen und deren Immobilienplattformen beobachtet werden. Bestes Beispiel aus dem Einzelhandelssektor ist die in zwei 50-Prozent-Tranchen erfolgte Komplettübernahme des 59 Objekte umfassenden Kaufhof-Warenhausportfolios durch Signa, das sich mehrheitlich im Besitz der kanadischen Hudson’s Bay Company und von weiteren Joint-Venture-Partnern bzw. der Galeria Kaufhof AG befand. Im zweiten Quartal 2019 wurde der zweite Übernahmeschritt vollzogen, so dass beim Transaktionsvolumen von Einzelhandelsimmobilien der Anteil von strategischen Unternehmensbeteiligungen und -übernahmen zwischen Januar und September bei rund 28 Prozent lag.“

Aber auch größere Paketverkäufe, deren Abschlüsse seit längerem erwartet wurden, schlugen zu Buche. Mit dem Verkauf des aus 26 Büro-, 9 Einzelhandels- und 14 Wohnimmobilien bestehenden, über 2,5 Milliarden schweren Millennium-Portfolios gingen zahlreiche Premium-Objekte mit Einzelhandelsnutzung an den offenen Immobilienfonds Hausinvest der Commerz Real über. Hinzu kamen „reine“ Einzelhandelsportfolien im mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich, so ein Paket von 13 Fachmärkten und Fachmarktzentren, genannt „Salt & Pepper“. Verkäufer war Patrizia, Käufer ein Fonds der Hahn-Gruppe, hinter dem sich ein Versicherungs-Konsortium verbirgt. Bereits Ende Juni vermeldet, aber in das dritte Quartal gezählt wurde der Übergang eines weiteren 11 Fachmärkte und Fachmarktzentren umspannenden Portfolios von Brack Capital an Redos für 141 Millionen Euro.

Baumärkte neben Fachmärkten mit Lebensmittelschwerpunkt wieder gefragt

Hoenig-Ohnsorg: „Bemerkenswert an diesen beiden Fachmarkt-Portfolien ist die hohe Beimischung von Baumärkten, die bei Investoren wieder stark im Kommen sind. Aber auch Fachmärkte bzw. Fachmarktzentren mit Lebensmittelschwerpunkt bleiben weiterhin hoch im Kurs, wie wir anhand von noch im Verkaufsprozess befindlichen, zum Teil sehr volumenstarken Portfolien sehen können. Gleichzeitig waren im Jahresverlauf Einzeldeals in einer Größenordnung ab 100 Millionen Euro aufwärts bisher rar. Im dritten Quartal fehlten beispielsweise in diese Rubrik fallende Einzelverkäufe von großen, auf Fashion und Accessoires fokussierten Einkaufszentren und innerstädtischen Galerien. Lediglich kleinere Core-Objekte mit Nahversorgungscharakter oder Value-Add-Objekte wie die Rathaus Galerie in Essen oder das im zweiten Quartal veräußerte Shoppingcenter Hofgarten in Solingen wurden zu Kaufpreisen von je unter 100 Millionen Euro gehandelt.“

Paketverkäufe und Objekte in 1a-Lagen dominieren Marktgeschehen

Angesichts der erwähnten marktprägenden Deals stieg der Portfolioanteil binnen Jahresfrist auf 55 Prozent – im Vergleich zu 27 Prozent über alle Assetklassen hinweg. Dahinter steht im Einzelhandelssegment ein Anlagevolumen von 4,2 Milliarden Euro. Bei den Einzeldeals lag das Volumen bei 3,4 Milliarden Euro und einem Marktanteil von 45 Prozent.

Auch die Auswertung nach Betriebstypen spiegelt das aktuelle Transaktionsgeschehen erwartungsgemäß wider: Mit 3,7 Milliarden Euro bzw. knapp der Hälfte des einzelimmobilienbezogenen Transaktionsvolumens dominierten Highstreet-Objekte in den vergangenen neun Monaten. Fachmärkte bzw. Fachmarktzentren lagen mit 31 Prozent bzw. 2,3 Milliarden Euro auf Platz 2, Einkaufszentren mit 21 Prozent bzw. 1,6 Milliarden Euro nehmen Platz 3 ein. Über ein Drittel des Transaktionsvolumens entfiel auf Objekte, die in den TOP 7 Investmentzentren gelegen sind, 65 Prozent lagen außerhalb. Dies stellt eine deutliche Verschiebung zugunsten der Investmenthochburgen über die vergangenen Monate dar.

Internationale Investoren mit hohem Marktanteil

Leube: „Ebenfalls abweichend zum Gesamtmarkt liegt der Anteil ausländischer Investoren mit 47 Prozent im Retail-Sektor gegenüber 38 Prozent über alle Immobiliensegmente hinweg deutlich höher. Außerhalb Deutschlands scheint die starke Binnenkonjunktur sowie das anhaltend gute Konsumklima, das diametral zur sinkenden Stimmung bei immobilienbezogenen Frühindikatoren wie dem Immobilienklimaindex von Deutsche Hypo und bulwiengesa steht, stärker wahrgenommen zu werden als hierzulande.“ Unter den Herkunftsländern ist nach Österreich mit 20 Prozent Marktanteil Großbritannien mit sechs Prozent und Frankreich mit fünf Prozent am stärksten vertreten.

Bei den Immobilieninvestoren haben auf der Käuferseite Offene Immobilien- und Spezialfonds mit 28 Marktanteil die Immobilien AGs mit 24 Prozent auf Platz 1 abgelöst. Auf der Verkäuferseite haben Opportunity Fonds/Private Equity Fonds mit 23 Prozent Marktanteil Immobilien AGs sowie Asset- und Fondsmanager mit jeweils 14 Prozent auf die Plätze verwiesen.

Uneinheitlich tendierende Renditen 

Die Konsolidierung der Brutto-Spitzenrenditen in den größten deutschen Investmentzentren setzte sich auch in den vergangenen drei Monaten fort. Strukturelle, vor allem durch die Digitalisierung bedingte Umbrüche in der Retail-Landschaft sowie die erloschenen Mietsteigerungsfantasien der Investoren führten bereits vereinzelt zu Renditesteigerungen bei Geschäftshäusern in 1a-Lagen. Nach Stuttgart in der ersten Jahreshälfte folgte nun auch Hamburg mit leichter Anhebung der Spitzenrendite um 10 Basispunkte. Die Spannweite liegt damit weiter in einem sehr engen Band zwischen 2,75 Prozent in München und 3,30 Prozent in Hamburg, Köln und Stuttgart. Des Weiteren sind Renditesteigerungen bei weniger gut positionierten, von Restrukturierungsbedarf geprägten Einkaufszentren zu erwarten, während erfolgreiche am Markt platzierte Objekte unverändert zwischen 4,50 und 4,75 Prozent rentierten. Investoren von Fachmärkten bzw. Fachmarktzentren mit Lebensmittelankern sind weiterhin bereit, mehr als das 20fache der Jahresmiete für Core- oder Core-Plus-Objekte zu zahlen. Hierbei ist nicht die seit Jahren zu beobachtende Seitwärtsbewegung der Mieten ausschlaggebend, sondern vielmehr die Krisenfestigkeit der Lebensmittelbranche und das restriktive Baurecht in Deutschland in Bezug auf die Neuausweisung von Fachmarktstandorten.

Ausblick: Marktgeschehen bleibt lebhaft

Leube: „Das Umfeld für Einzelhandelsinvestment bleibt herausfordernder als für andere Immobilienassetklassen. Dennoch sondieren Investoren gerade in Deutschland weiter jede bestehende Möglichkeit, in Retail-Objekte zu investieren, insbesondere wenn sie im Core- bzw. Core-Plus-Bereich anzusiedeln sind.“ Hoenig-Ohnsorg ergänzt: „Selbst wenn der Handel mit Einzelhandelsobjekten nicht mit der Dynamik in anderen Segmenten mithalten kann, sehen wir zum Jahresende ein Transaktionsvolumen von rund 10 Milliarden Euro, das dem Vorjahresniveau entspricht, als gesichert.“

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Die Immobilienberater von Colliers Deutschland sind an den Standorten in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, München, Nürnberg, Stuttgart und Wiesbaden vertreten. Das Dienstleistungsangebot umfasst die Vermietung und den Verkauf von Büro-, Gewerbe-, Hotel-, Industrie-, Logistik- und Einzelhandelsimmobilien, Fachmärkten, Wohnhäusern und Grundstücken, Immobilienbewertung, Finanzierungsberatung, Consulting sowie die Unterstützung von Unternehmen bei deren betrieblichem Immobilienmanagement (Occupier Services). Weltweit ist die Colliers Group Inc. (Nasdaq: CIGI) (TSX: CIGI) mit rund 14.000 Experten in 68 Ländern tätig. Für aktuelle Informationen von Colliers besuchen Sie www.colliers.de/newsroom oder folgen uns bei Twitter @ColliersGermany, Linkedin und Xing.

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