Starker Auftakt, schwaches Ende: Investmentjahr 2022 mit Transaktionsvolumen von 53 Milliarden Euro
- Hohe Inflation sowie steigende Zinsen und Finanzierungskosten dominierende Themen im abgelaufenen Jahr
- Schwierige Preisfindung hemmt Transaktionsgeschehen
- Aufwärtsdruck auf Immobilienrenditen bleibt bestehen
- Neues Marktgleichgewicht noch nicht gefunden: Transaktionsvolumen 2023 wohl bei rund 42 Milliarden Euro
Frankfurt/Main, 9. Januar 2023 – Nach Angaben von Colliers wurden in Deutschland 2022 gewerblich genutzte Immobilien für 52,6 Milliarden Euro gehandelt. Das entspricht in etwa dem Zehnjahresmittelwert, verfehlt aber mit minus 15 Prozent deutlich den Wert der vorangegangenen fünfjährigen Hochphase. Dabei startete das Investmentjahr 2022 mit einem Allzeithoch eines ersten Quartals überhaupt (18,1 Milliarden Euro), endete aber mit dem umsatzschwächsten Jahresabschlussquartal seit 2011 (11,3 Milliarden Euro). Auch die Anzahl der Transaktionen im Jahr 2022 verzeichnete gegenüber dem Fünfjahresdurchschnitt einen Rückgang um 12 Prozent. Die größten Rückgänge gab es mit minus 27 Prozent in den Größenklassen über 100 Millionen Euro. Der Anteil ausländischer Investoren am Transaktionsvolumen von 41 Prozent blieb im Jahresverlauf stabil und entspricht dem langfristigen Mittel.
Matthias Leube, CEO bei Colliers: „Mit einem starken Schlussquartal, gar mit einer Jahresendrally hatten wir schon Mitte des Jahres vor dem Hintergrund großer wirtschaftlicher Unsicherheit, neuer Höchststände bei der Inflation und wiederholt deutlicher Zinsanpassungsschritte der Zentralbanken nicht wirklich gerechnet. Investoren schoben allerdings stärker als noch zur Jahresmitte erwartet Kauf- und Verkaufsentscheidungen hinaus. In dieser Übergangsphase vom Verkäufer- zum Käufermarkt verhinderten schwierige Preisfindungsprozesse viele Abschlüsse. Generell beobachten wir aber weiter ein hohes Kaufinteresse, und viele Verkaufsprozesse sind zudem nur verschoben, aber nicht aufgehoben. Beratungsbedarf besteht vor allem bezüglich der Preisfindung sowie des Vermarktungszeitpunktes. Zudem sehen sich Investoren mit steigenden Anforderungen an die Zukunftsfähigkeit der Immobilie in Bezug auf ESG-Konformität, technologischen Wandel und New Work konfrontiert, die in der Einpreisung noch schwer zu greifen sind.“
Die größten Transaktionen des abgelaufenen Jahres stammten aus dem ersten Quartal, so die mehrere Milliarden Euro schwere Übernahme eines Mehrheitsanteils der alstria Office REIT AG durch den kanadischen Assetmanager Brookfield. Trotz dieser und weiterer Beteiligungen ist der Marktanteil gehandelter Portfolios auf unterdurchschnittliche 30 Prozent des Transaktionsvolumens gesunken. Die Liste der Einzelverkäufe führt der Frankfurter Marienturm an. Die Core-Büroimmobilie im Bankenviertel wurde ebenfalls vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine für über 800 Millionen Euro von Aermont Capital und dem Entwickler Pecan an DWS für den National Pension Service of Korea verkauft.
Ausbleiben von Landmark-Deals in Top 7 bemerkbar
Die langwierigen und zum Teil ausgesetzten Prozesse vor allem bei großvolumigen Core-Objekten haben das Transaktionsgeschehen in den Top 7 noch stärker als am Gesamtmarkt ausgebremst. In den Investmentzentren wurde der Fünfjahresdurchschnittswert um 26 Prozent verfehlt. Erstmals seit 2017 sank der aggregierte Volumenanteil der sieben Städte am Gesamtmarkt auf weniger als die Hälfte des gesamtdeutschen Resultats. In den vergangenen fünf Jahren betrug er durchschnittlich 56 Prozent. Insbesondere Frankfurt und München, deren Umsatz verlässlich von Landmark-Deals im hohen dreistelligen Millionen Euro-Bereich geprägt sind, fallen mit ihrem Umsatz von jeweils rund 4,2 Milliarden Euro auf das niedrigste Ergebnis seit 2013 beziehensweise 2012 zurück. Berlin steht mit 8,8 Milliarden Euro erneut an der Spitze und erweist sich bis heute als resilientester Top-7-Standort.
Der Nachfragerückgang betrifft alle Nutzungsarten gleich stark. Büros bleiben mit 41 Prozent Volumenanteil die stärkste Nutzungsart. Industrie- und Logistikimmobilien behaupten sich wie schon 2021 auf Platz 2 mit 18 Prozent, knapp vor Einzelhandelsimmobilien mit 16 Prozent.
Deutlicher Renditeanstieg in allen Assetklassen
Wie erwartet sind die Renditen über alle Assetklassen hinweg in den vergangenen drei Monaten weiter deutlich gestiegen. Christian Kadel, Head of Capital Markets bei Colliers: „Im Schnitt der sieben Investmentzentren ist die Bruttospitzenrendite bei Büroobjekten im Vorjahresvergleich um 100 Basispunkte angestiegen und lag am Jahresende zwischen 3,70 und 3,90 Prozent. Vereinzelt fanden und finden weitere Transaktionen statt, die aufgrund der Einzigartigkeit der Immobilien und/oder des Wertsteigerungspotentials Renditen unterhalb dieser Durchschnitte rechtfertigen. Weitere Zinsschritte sowie steigende Renditen alternativer Assetklassen werden die Immobilienrenditen vorerst weiter unter Druck setzen. Im ersten Quartal sehen wir in allen Top-7-Märkten die 4 Prozent-Marke erreicht.“
Die Spitzenrenditen für Logistikobjekte in den Topregionen haben mehr als 100 Basispunkte binnen Jahresfrist zugelegt und bewegen sich aktuell bei 4,30 Prozent. Etwas gemäßigter ist der Anstieg bei Geschäftshäusern in 1a-Lagen der Top 7 mit durchschnittlich 70 Basispunkten ausgefallen. Hier ist vielerorts die 4-Prozent-Markte bereits überschritten. Fachmarktzentren mit Lebensmittelanker notieren aktuell bei 5,00 Prozent, ein Anstieg von 50 Basispunkten gegenüber dem Vorjahr.
Ausblick: Rückgang auf etwa 42 Milliarden Euro Transaktionsvolumen
„Seit Mitte Dezember mehren sich die Zeichen, dass die bevorstehende Rezession milder ausfallen könnte als lange Zeit befürchtet. Bei der Inflationsentwicklung scheint der Höhepunkt überschritten, wobei die großen Notenbanken Fed und EZB weitere Zinserhöhungen angekündigt haben. Das Marktumfeld bleibt für Immobilieninvestoren daher kurzfristig herausfordernd. Mittelfristig sehen wir eine Beruhigung und damit mehr Verlässlichkeit der Marktbedingungen. Dennoch gehen wir bei unserer Prognose davon aus, dass wir Ende 2023 ein deutlich niedrigeres Transaktionsvolumen als 2022 messen werden. Aufgrund der bei laufenden Prozessen zu beobachtenden Preisabschläge sowie der weiterhin verhaltenen Zahl von Abschlüssen in den nächsten Monaten und unter der Voraussetzung, dass die Transaktionshäufigkeit ab dem dritten Quartal auf Basis dann verbesserter Rahmenbedingungen wieder steigt und großvolumigere Transaktionen wieder vermehrt stattfinden, prognostizieren wir für 2023 ein Ergebnis von etwa 42 Milliarden Euro. Damit würde der deutsche Investmentmarkt etwa den Stand von 2014 erreichen“, so Leube.
Kadel ergänzt: „Allerdings können strategische Unternehmensübernahmen und -beteiligungen, deren Volumina oft im Milliarden-Euro-Bereich angesiedelt sind, das Ergebnis positiv beeinflussen. Im Fokus solcher Übernahmen stehen aktuell vor allem Immobilien AGs und REITs, deren Marktkapitalisierung derzeit einen Abschlag auf den Marktwert des Portfolios bietet.“
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