Ruhiges erstes Halbjahr am deutschen Einzelhandelsinvestmentmarkt

• Transaktionsvolumen bleibt mit 2,7 Milliarden Euro zur Jahresmitte deutlich hinter langjährigem Durchschnitt
• Kleinvolumige Fachmärkte bleiben vitale Basis des Transaktionsgeschehens
• Renditedivergenz zwischen den Handelsformen setzt sich fort
• Großvolumige Abschlüsse für die nächsten Monate erwartet

München, 6. Juli 2021 – Im ersten Halbjahr 2021 wurden nach Angaben von Colliers Einzelhandelsimmobilien mit einem Volumen von 2,7 Milliarden Euro gehandelt. Das zweite Quartal blieb mit 1,5 Milliarden Euro ähnlich ruhig wie das erste mit rund 1,2 Milliarden Euro. Das letzte Mal wurde 2012 ein Halbjahresergebnis unter der 3-Milliarden-Euro-Marke registriert, der Fünfjahresdurchschnitt der Vergleichsperiode wurde um 43 Prozent verfehlt. Damit koppelte sich der Markt für Einzelhandelsinvestments deutlich vom dynamischeren Wachstum des Gesamtmarktes ab, der nach einem ebenfalls schwachen Jahresauftakt zur Jahresmitte mit – 6 Prozent nur noch vergleichsweise knapp unter dem Mittel der Jahre 2016 bis 2020 lag. Aus dieser Divergenz ergibt sich auch ein rückläufiger Marktanteil für die Nutzungsart Einzelhandel, der zwischen März und Juni von 14 Prozent auf 12 Prozent weiter gefallen ist. Aktuell liegt die Assetklasse damit auf Platz 3 hinter Büros (48 Prozent) sowie Lager- und Logistikimmobilien (19 Prozent). Die Zahl der Transaktionen sank binnen Jahresfrist von 135 auf 104.

Direkte Betroffenheit von Einzelhandelsimmobilien durch Corona stärker als in anderen Assetklassen

Matthias Leube, CEO bei Colliers: „Der Gesamtmarkt hat vor allem durch die Rückkehr von Großdeals in den letzten drei Monaten beeindruckend an Dynamik gewonnen. Die gesunden Fundamentaldaten des Investmentmarktes und die Erkenntnis, dass Immobilien insbesondere im unternehmensorientierten und öffentlichen Dienstleistungsbereich sowie im Industrie- und Logistikgewerbe betriebsnotwendig und systemrelevent sind, haben das Transaktionsgeschehen trotz des mehrmonatigen zweiten Lockdowns bereits wieder auf das Vor-Corona-Niveau gehoben. Das traf bislang für wesentliche Teile des Einzelhandelsmarktes nicht zu. Abgesehen von der Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern des täglichen Bedarfs hat die direkte Betroffenheit von stationärem Handel und Gastronomie bis zu ersten Lockerungen im April das Investmentgeschehen negativ beeinflusst. Dazu trugen auch zahlreiche Insolvenzmeldungen bekannter Filialisten und Geschäftsaufgaben von lokal bedeutsamen Einzelhändlern bei. Allerdings mehren sich auch beim Einzelhandel die Zeichen einer Trendwende. Die Stimmung unter den Konsumenten hat gemäß GfK-Konsumklimaindex den „Lockdownmodus“ bereits verlassen. Die steigende Konjunktur- und Einkommenserwartung sowie eine moderat zunehmende Anschaffungsneigung der Verbraucher deuten auf eine spürbare Erholung des privaten Konsums in der zweiten Jahreshälfte hin. Das stützt auch die Stimmung am Investmentmarkt. Die seit April positive Entwicklung des Handelsimmobilienklimaindex nahm im Juni noch einmal deutlich an Fahrt auf.“

Dirk Hoenig-Ohnsorg, Head of Retail Investment bei Colliers, ergänzt: „Über diesen bevorstehenden Aufholprozess darf man jedoch nicht die Folgen eines seit Jahren andauernden Transformationsprozesses vergessen, der durch die Pandemie zusätzlich beschleunigt wurde. Dabei muss man den Markt für Einzelhandelsinvestments differenzierter betrachten als andere Segmente. Während Ladengeschäfte in Innenstädten und Shoppingcenter stark in Mitleidenschaft gezogen wurden und zum Teil mehrjährigen Umstrukturierungsprozessen mit einer deutlichen Reduktion der reinen Verkaufsfläche unterzogen werden müssen, bevor sie wieder marktgängig sind, entwickelt sich der Handel mit Fachmärkten und Fachmarktzentren weiter positiv.“

Genau wie schon vor 12 Monaten entfallen auf diesen Betriebstyp 53 Prozent des Anlagevolumens und 61 Prozennt aller Kauffälle. Auf den Highstreetretail entfielen 35 Prozent bzw. 33 Prozent aller Deals. Einkaufszentren waren mit weniger als 10 Deals und 8 Prozent Marktanteil nahezu bedeutungslos. Mehr als drei Viertel aller Transaktionen fanden außerhalb der sieben größten Investmentzentren des Landes statt. Auch B und C-Städte spielten mit zusammen 16 Prozent eine untergeordnete Rolle, so dass 61 Prozent des Investmentvolumens dezentral in der Fläche allokiert wurden. Hierin zeigt sich, wie kleinvolumig und kleinteilig derzeit der Markt ist.

Bis zur Jahresmitte kaum großvolumige Abschlüsse

Größter Deal des Quartals und zugleich der einzige in der Kategorie über 200 Millionen Euro war die Teilübernahme des Berliner Büro- und Geschäftshausensembles Gloria Galerie vom Entwickler Centrum durch die US-amerikanische RFR Holding. In ähnlicher Größenordnung wurden im ersten Quartal sieben Karstadt-Warenhäuser an Apollo veräußert, bei der RFR auf der Verkäuferseite stand. Im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich ist zu dem Mehrheitserwerb des ehemaligen Mutschler-Center in Neu Ulm durch den österreichischen Investor und Entwickler Hallmann für 120 Millionen Euro im ersten Quartal nur noch eine weitere Transaktion im zweiten Quartal hinzugekommen. Dabei handelt es sich um 15 Einzelhandelsobjekte aus einem 69 Objekte umfassenden Gewerbeportfolio, das Summit an den Opportunity Fonds Epsio 5 von Tristan veräußert hat.

Wachstum im Bereich Sport- und Freizeitfachmärkte sowie bei Cash- und Carry-Großmärkten

Portfolien, die den Handel mit Einzelhandelsobjekten in den vergangenen Jahren dominierten, spielten im bisherigen Jahresverlauf mit 870 Millionen Euro Anlagevolumen und einem Marktanteil von 32 Prozent noch keine marktprägende Rolle. Hoenig-Ohnsorg: „In der zweiten Jahreshälfte erwarten wir allerdings den Abschluss einiger größerer Paketverkäufe, wobei neben reinen Supermarkt- und Discounterportfolien auch solche an Bedeutung gewinnen werden, die Drogeristen, Bau- und Heimwerkermärkte oder Fachmärkte für Sport-, Freizeit- oder Tierbedarf als Ankermieter haben. Diese Sortimente haben nicht erst durch die Corona-Pandemie und den Trend zum Social Cocooning einen höheren Zuspruch erfahren, sondern aufgrund eines gestiegenen Gesundheits- und Selbstverwirklichungbewusstseins der Konsumenten ein nachhaltiges Wachstum realisiert. Als richtungsweisend ist hier der aktuelle Verkauf von fünf Bikemax-Fahrradgeschäften vom britischen REIT Stenrop an Gold Tree für 27 Millionen Euro zu sehen. Ein zweiter Trend entsteht aus dem akuten Angebotsmangel von lebensmittelgeankerten Fachmärkten. Hier springt das Interesse zunehmend auf Abhol-Großmärkte, also Cash- und Carry-Märkte über, die meist von großen, den deutschen Markt beherrschenden Handelsketten (z.B. Edeka, Metro) betrieben werden.

Offene Immobilien- und Spezialfonds bleiben dominierende Käufergruppe

Das Marktgeschehen wird mit geringerer Änderung zum Jahresbeginn von denselben Investorengruppen geprägt. Auf der Käuferseite liegen erneut offene Immobilien- und Spezialfonds mit 777 Millionen Euro (29 Prozent Marktanteil) auf dem ersten Platz, vor Asset- und Fondsmanagern mit 580 Millionen Euro (22 Prozent) und Privatinvestoren/Family Offices mit 356 Millionen Euro (13 Prozent Marktanteil). Bei den Verkäufern haben sich Projektentwickler (629 Millionen Euro, 23 Prozent Marktanteil) vor Asset- und Fondsmanager (406 Millionen Euro, 15 Prozent) und offene Immobilien- und Spezialfonds (370 Millionen Euro, 14 Prozent) geschoben. Ausländisches Kapital ist mit 32 Prozent weiter deutlich unterrepräsentiert.

Renditedivergenz setzt sich fort

Auch wenn in den vergangenen drei Monaten mangels marktprägender Deals im Core-Segment nur vereinzelt Verschiebungen im Bereich der Spitzenrenditen zu beobachten waren, zeichnet sich die Fortsetzung des gegenläufigen Trends zwischen krisengebeutelten Handelsformen wie Geschäftshäusern in 1a-Lage und Shoppingcentern einerseits und Fachmärkten bzw. Fachmarktzentren andererseits ab. So wurden im Highstreet-Segment in einigen TOP 7-Märkten leichte Aufwärtstendenzen bei den Bruttoanfangsrenditen verzeichnet, die sich zwischen 2,80 Prozent in Frankfurt und 3,40 Prozent in Düsseldorf und Köln bewegen. Renditekompressionen vor allem bei Fachmärkten mit Lebensmittelschwerpunkt verlaufen bereits unterhalb der 5,00 Prozent- Marke, Einkaufszentren mittlerweile darüber.
Ausblick: 10-Milliarden-Euro-Marke schwer zu erreichen

Hoenig-Ohnsorg: „Auch wenn wir in diesem volatilen Marktsegment und aufgrund der Kenntnis einer gesicherten Dealpipeline mit einem merklichen Anstieg des Transaktionsvolumens in den kommenden sechs Monaten rechnen, ist das Erreichen der 10-Milliarden-Euro-Marke für 2021 aus heutiger Sicht nicht ganz sicher.“