Einzelhandelsinvestmentmarkt mit vergleichsweise geringen Einbußen im zweiten Quartal
- Trotz herausfordernder Rahmenbedingungen für Einzelhandel solides Halbjahresergebnis mit 4,3 Milliarden Euro
- Einzelhandelsimmobilien bauen Marktanteil auf 15 Prozent leicht aus
- Renditeanstiege deutlich moderater als in anderen Assetklassen
- Lebensmittelgeankertes Fachmarktsegment belegt seit Ausbruch der Ukraine-Krise erneut Krisenresilienz
München, 6. Juli 2022 – Nach Angaben von Colliers wurden im ersten Halbjahr 2022 rund 4,3 Milliarden Euro in deutsche Einzelhandelsimmobilien investiert. Im Gegensatz zur Entwicklung am Gesamtmarkt entspricht das einer deutlichen Steigerung von 58 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, der allerdings durch ein vergleichsweise schwaches Transaktionsgeschehen geprägt war. Gegenüber dem langjährigen Durchschnitt fällt das Halbjahresergebnis mit 8 Prozent leicht zurück.
Solides Ergebnis trotz schwierigem Umfeld
Dirk Hoenig-Ohnsorg, Head of Retail Investment bei Colliers, ordnet ein: „Mit 21 Prozent reduzierte sich das Transaktionsvolumen im Retail Investment nur halb so stark wie der deutliche Rückgang über alle Assetklassen hinweg von 43 Prozent. Das führte über die letzten drei Monate hinweg auch zu einem Anstieg des Marktanteils von 13 auf 15 Prozent dieser Nutzungsart, die zur Jahresmitte hinter Büros (44 Prozent) und Industrie- und Logistikimmobilien (22 Prozent) gefestigt auf Platz 3 liegt.“
Matthias Leube, CEO bei Colliers ergänzt: „Angesichts der konjunkturellen Rahmenbedingungen, die für den gesamten Einzelhandel sehr herausfordernd sind, ist die solide Entwicklung am Investmentmarkt besonders positiv zu werten.“
Die Inflation befand sich nach vorläufigen Berechnungen auch im Juni mit 7,6 Prozent weiter auf sehr hohem Niveau. Nach Energiepreisen wiesen Nahrungsmittelpreise mit 11,1 Prozent zuletzt die höchste Teuerungsrate auf, was die reale Kaufkraft der privaten Haushalte deutlich schmälerte. Das GfK-Konsumklima sank zur Jahresmitte auf ein neues Rekordtief. Aus Sorge vor einer Rezession ist die Einkommenserwartung der Verbraucher drastisch gesunken. Der erhoffte „Nachholkonsum“ nach zweijähriger Corona-Phase wird geringer ausfallen als erwartet, was schon jetzt an einer reduzierten Anschaffungsneigung abzulesen ist.
Lebensmittelgeankertes Fachmarktsegment weiter krisenresilient
Insgesamt dominierten Fachmärkte und Fachmarktzentren mit 2,5 Milliarden Euro bzw. 58 Prozent das Marktgeschehen in den ersten sechs Monaten des Jahres und gaben währenddessen nur leicht Marktanteile an Geschäftshäuser in innerstädtischen Lagen ab. Diese vereinten Ende Juni 1,5 Milliarden Euro bzw. rund 35 Prozent des Transaktionsvolumens auf sich, während Einkaufszentren mit 327 Millionen Euro und rund 8 Prozent Marktanteil keine marktprägende Rolle spielten.
Der Anteil lebensmittelgeankerter Objekte blieb mit 46 Prozent auch über das zweite Quartal hinweg konstant. „Damit stellt dieses Segment, das nun nicht mehr von einer coronabedingten Sonderkonjunktur beflügelt wird, sondern im Gegenteil den Gegenwind außerordentlicher Teuerung aushalten muss, ihre Krisenresilienz unter Beweis“, so Hoenig-Ohnsorg. „Investoren haben die Gewissheit, dass die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs nur wenig Einsparpotenzial bei den Konsumenten hergibt. Gleichzeitig ist der Inflationsschutz durch langfristige, indexierte Mietverträge besonders im Lebensmitteleinzelhandel in besonderem Maße gegeben.“
Portfolios unterhalb der 100-Millionen-Euro-Marke sowie Einzeldeals bis 20 Millionen Euro sind weiter prägend für das Marktgeschehen, das angebotsseitig vor allem vom Produktmangel im Nahversorgungssegment und nachfrageseitig von einer weiter hohen Risikoaversität gegenüber Einkaufszentren und innerstädtischen Geschäftshäusern gekennzeichnet ist. Der Portfolioanteil bleibt mit aktuell 34 Prozent auf einem für die Assetklasse sehr niedrigen Niveau. Das gilt auch für die Quote ausländischer Investoren von 23 Prozent, die wiederum mit der Kleinteiligkeit des Angebots zusammenhängt. Der Markt ist weiter fest in der Hand heimischer Investoren. Nach Käuferbranchen waren Offene Immobilienfonds und Spezialfonds mit 34 Prozent sowie Projektentwickler mit 19 Prozent die aktivsten Marktplayer. Auf der Verkäuferseite engagierten sich vor allem Immobilien AGs (20 Prozent) sowie Projektentwickler und Asset- und Fondsmanger mit jeweils 16 Prozent.
Preiskorrekturen im Einzelhandelhandelssegment schon 2019 eingeleitet
Leube: „Anders als in den stark gehandelten Assetklassen Büro sowie Industrie und Logistik, die im von Unsicherheit geprägten Marktumfeld des zweiten Quartals zum Teil deutliche Preiskorrekturen hinnehmen mussten, sind die Renditeentwicklungen im Einzelhandelsbereich vergleichsweise moderat.“ Im Highstreet-Bereich, wo bereits 2019 das Ende der Renditekompression erreicht war, liegen die Zuwächse bei der Spitzenrendite im Schnitt der sieben Investmentzentren mit 10 Basispunkten deutlich unter den Steigerungen in anderen Nutzungsarten, die laufenden Verhandlungsprozessen zufolge mit rund 25 Basispunkten angegeben werden. „Da im Segment innerstädtischer Geschäftshäuser vor allem eigenkapitalstarke Eigentümer aktiv sind, die von steigenden Fremdfinanzierungskosten weniger betroffen sind, werden sich die Preise auch zukünftig nicht so stark nach unten bewegen. In dem resilienten Nahversorgungssegment rechnen wir mit einer moderaten Kaufpreiskorrektur gegenüber den Preisspitzen der letzten 12 Monate“, ist sich Hoenig-Ohnsorg sicher.
Ausblick: Vorjahresniveau beim Transaktionsvolumen von 8 Milliarden Euro realistisch
Hoenig-Ohnsorg: „Eine Prognose unter den gegebenen geopolitischen, makroökonomischen und kapitalmarktspezifischen Verhältnissen abzugeben, fällt schwer. Schon jetzt ist die Belastung der Konsumenten hoch und könnte sich angesichts der Gefahr eines Gasembargos drastisch verschärfen. Das träfe insbesondere den Non-Food-Handel nach zwei Corona-Jahren besonders hart – mit weiteren schweren Folgen für den Vermietungsmarkt. Unter der Annahme der jetzigen Situation gehen wir von einem Transaktionsvolumen in Höhe des Vorjahres von rund 8 Milliarden Euro aus, das hauptsächlich vom lebhaften Handel mit knappen Nahversorgermärkten angetrieben wird.“
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