Dynamischer Jahresauftakt 2022 für den deutschen Einzelhandelsinvestmentmarkt
- Transaktionsvolumen von 2,4 Milliarden Euro im ersten Quartal im Vorjahresvergleich verdoppelt
- Marktgeschehen angetrieben von wenigen Portfoliodeals und einer zunehmenden Zahl von Einzeldeals im zumeist lebensmittelgeankerten Fachmarktsegment
- Renditespreizung zwischen Betriebstypen wird auch 2022 prägen
- Folgen des Kriegs in der Ukraine für Einzelhandel insgesamt kaum einschätzbar
München, 6. April 2022 – Nach Angaben von Colliers wurden in Deutschland im ersten Quartal 2022 Einzelhandelsimmobilien für 2,4 Milliarden Euro transferiert. Dieses drittbeste Ergebnis seit 2017 entspricht einer Verdoppelung des schwachen Jahresauftaktes von 2021 und erreicht damit das Niveau des Fünfjahresdurchschnitts für diese Vergleichsperiode. Insgesamt hält das Einzelhandelssegment in den ersten drei Monaten des Jahres mit der hohen Dynamik am deutschen Investmentmarkt Schritt, der über alle Assetklassen hinweg ebenfalls eine Verzweifachung des Transaktionsvolumens verzeichnete. Allerdings rangieren Einzelhandelsimmobilien angesichts einer Verdreifachung des Anlagevolumens im Bürosegment und der starken Vorjahresausgangsbasis im Industrie- und Logistikbereich erneut mit 13 Prozent Marktanteil und deutlichem Abstand auf Rang 3 hinter Büro- (51 Prozent) und Logistikassets (21 Prozent).
Rasante Zunahme von Fachmarkt-Einzeldeals belegt massiven Produktmangel im Portfoliobereich
Dirk Hoenig-Ohnsorg, Head of Retail Investment bei Colliers, beobachtet: „Treiber des Marktgeschehens war neben einigen wenigen Großportfolien oder Teilpaketen mit Einzelhandelsobjekten die rasante Zunahme von Einzeldeals.“ Während fast gleichauf mit dem Vorjahresniveau circa eine halbe Milliarde Euro durch Objekte in Portfolien gehandelt wurden, lag das Plus von Einzelkäufen bei satten 140 Prozent und führte zu einem Volumen von 1,8 Milliarden Euro. Insgesamt sank der Portfolioanteil auf den für diese Assetklasse sehr niedrigen Stand von 24 Prozent.
Die Zahl der gehandelten Einzelobjekte verdoppelte sich gegenüber dem Vorjahr auf über 80. Dabei handelte es sich überwiegend um einzelne Fachmärkte und Fachmarktzentren, rund die Hälfte davon besitzen einen Lebensmittelanker. Innerstädtische Geschäfts-, Kauf- oder Warenhäuser sowie Einkaufszentren machten gerade einmal ein Drittel aus. „Im Schnitt betrugen diese Investments rund 15 Millionen Euro. Solche Objekte wurden in der Vergangenheit wegen des kleinen Volumens von institutionellen Investoren in der Regel nur im Paket erworben. Der massenhafte Einzelerwerb ist ein deutlicher Hinweis auf einen leergefegten Markt mit einem massiven Nachfrageüberhang. Core-Produkte wie das über den Jahreswechsel gehandelte Truffle-Portfolio mit 35 Supermärkten und einer WALT von zehn Jahren sind Mangelware, was sich in Kaufpreismultiplikatoren jenseits des 25-fachen niederschlägt.“
Matthias Leube, CEO bei Colliers: „Eine andere Ausweichlösung, die wir seit 2019 in zunehmendem Maße beobachten und die im ersten Quartal 2022 ihren bisherigen Höhepunkt am Markt für Gewerbimmobilien erreicht hat, sind strategische Unternehmensübernahmen oder -beteiligungen an etablierten Bestandshaltern.“ Aktuelle Relevanz für den Einzelhandelsmarkt besitzt in diesem Zusammenhang die Mehrheitsbeteiligung der DIC Asset AG an der VIB Vermögen AG von rund 60 Prozent. Das überwiegend in Süddeutschland befindliche Immobilienvermögen mit einem Gesamtwert von rund 1,5 Milliarden Euro umfasst neben Industrie- und Logistikimmobilien zu circa einem Drittel Einzelhandels- und Gastronomieobjekte, darunter ein 16-teiliges Gartencenter-Teilportfolio sowie rund 20 meist lebensmittelgeankerte Fachmarktzentren.
Fachmarktsegment dominiert erneut mit 66 Prozent Marktanteil
Unverändert zum Jahresabschluss 2021 vereint das Fachmarktsegment 1,6 Milliarden Euro und damit rund zwei Drittel des Transaktionsvolumens auf sich. Geschäftshäuser bringen es mit 632 Millionen Euro immerhin auf einen Marktanteil von 27 Prozent, während Einkaufszentren mit 172 Millionen Euro nur rund 7 Prozent zum Gesamtvolumen beitragen. Knapp drei Viertel bzw. 1,7 Milliarden Euro wurden außerhalb der sieben großen Investmentzentren des Landes investiert.
Den zersplitterten, kleinteiligen Markt teilten in den ersten drei Monaten des Jahres fast ausschließlich nationale Investoren unter sich auf. Deren Marktanteil betrug rekordverdächtige 89 Prozent. Auf der Käuferseite stellten erneut Offene Immobilien- und Spezialfonds mit 42 Prozent die mit Abstand aktivste Gruppe. Auf der Verkäuferseite engagierten sich vor allem Projektentwickler (21 Prozent Marktanteil) sowie Asset- und Fondsmanager (19 Prozent).
Renditespreizung wird sich im aktuellen Krisenumfeld verfestigen
Über den Jahreswechsel hat sich am allgemeinen Renditegefüge wenig geändert. Der Druck auf Fachmarktrenditen, die bei langlaufenden Nahversorgern die 4,00-Prozent-Marke erreicht haben, bleibt hoch. Im Gegenzug sind weitere Renditesteigerungen bei Einkaufszentren und Highstreetobjekten zu erwarten. Erstere tendieren Richtung 5,00 Prozent, letztere Richtung 3,00 Prozent. Auch mangels Abschlüssen bleibt die Renditespanne in den TOP 7 mit Werten zwischen 2,80 Prozent in Frankfurt und 3,40 Prozent in Düsseldorf und Köln unverändert.
Hoenig-Ohnsorg: „Die Krisenresilienz des Lebensmitteleinzelhandels sowie anderer „Pandemiegewinner“ wie Bau-, Heim- und Gartenmärkte wird erst recht mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine ein zentrales Kaufargument für Immobilieninvestoren bleiben. Die Gefahr eines Ausweichens der Konsumenten auf den „kontaktarmen“ Online-Handel, die mit Ausbreitung der Corona-Pandemie diskutiert wurde, spielt im aktuellen Krisengeschehen keine Rolle. Da sich in den vergangenen Jahren die Mietpreise im Fachmarktbereich mit Ausnahme der von wachsenden Flächenproduktivitäten profitierenden Formate im Lebensmitteleinzelhandel eher seitwärts als aufwärts bewegt haben, wird deren Einfluss auf die Kaufpreisfindung vermutlich gering bleiben. Vielmehr werden eine auch durch das restriktive deutsche Planungsrecht verschärfte Produktknappheit bei weiter hohem Nachfragedruck für Kaufpreise auf dem erreichten hohen Niveau sorgen. Anders sieht es für innerstädtische Wohn- und Geschäftshäuser sowie Einkaufszentren mit hohem Non-Food-Anteil aus. Diese litten schon in Vor-Corona-Zeiten unter Umsatzrückgängen, in deren Folge auch die Spitzenmieten sanken. Die auf ein Rekordniveau gestiegene Inflation dürfte den ersehnten „Nachhol-Konsum“ der Pandemie-Phase deutlich senken. Die Renditespreizung wird sich daher im aktuellen Krisenumfeld weiter verfestigen.“
Ausblick: Nahversorgungsinvestments bleiben Rückgrat der Assetklasse
Leube: „Noch schwerer als für den Gesamtmarkt lassen sich die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine für den Einzelhandelsinvestmentmarkt abschätzen. Neben dem allgemeinen Strukturumbruch und den Auswirkungen der Corona-Krise, die allenfalls das Hotelsegment in ähnlich starker Weise betroffen hat, ist die Vorbelastung zu Beginn der neuen Krisensituation eine deutlich höhere als bei anderen Nutzungsarten. Zumindest der hoch kompetitive Nahversorgungseinzelhandel in Deutschland mit seiner Betriebstypen- und Standortvielfalt sowie lange Festmietzeiten werden auch weiterhin als sicheres Anlageziel wahrgenommen werden. Die beschränkten Objektvolumina bleiben aber der limitierende Faktor für die Gesamtentwicklung der Assetklasse.“
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