Bodenbildung am Investmentmarkt geht vorerst in die Verlängerung

  •  Marktaktivitäten bei Gewerbeimmobilientransaktionen mit 5,7 Milliarden Euro leicht über Vorjahresauftakt
  • Struktureller Umbruch belastet Bürosegment weiter spürbar, Logistikimmobilien bauen Vorsprung als stärkster Sektor aus
  • Insolvenzverkäufe machen 12 Prozent des Quartalsergebnisses aus
  • Erwartete Zinssenkung zur Jahresmitte und fortgeschrittene Preisfindungsphase stützen allmähliche Markterholung

München, 8. April 2024 – Nach Angaben von Colliers wurden in Deutschland im ersten Quartal 2024 Immobilien für 7,3 Milliarden Euro gehandelt. Davon entfielen 5,7 Milliarden Euro auf Gewerbeimmobilien und 1,6 Milliarden Euro auf das institutionelle Wohnsegment ab 10 Wohneinheiten. Erstere lagen damit 11 Prozent über dem Ergebnis des Vorjahresauftaktquartals und konnten nicht ganz an die leichte Marktbelebung aus der zweiten Jahreshälfte 2023 anknüpfen. Das trifft auch auf die Anzahl der rund 240 registrierten Transaktionen zu, die analog zum Vorjahresvergleichsquartal zu 90 Prozent auf die Größenkategorie unter 50 Millionen Euro entfielen. Im langjährigen Vergleich verharrt das Niveau weiter auf dem niedrigen Stand von 2012.

Anhaltende Verschiebungen zwischen den Nutzungsarten

Weiterhin lassen sich bei den Marktaktivitäten deutliche Verschiebungen zwischen den Nutzungsarten beobachten. Der Bereich Industrie- und Logistikimmobilien konnte seine 2023 erlangte Spitzenposition als umsatzstärkste Nutzungsart auf 35 Prozent ausbauen. Befeuert von zahlreichen Portfoliotransaktionen hat sich das Investmentvolumen in diesem Segment gegenüber der Vorjahresvergleichsperiode auf über 2 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Dank der Paketverkäufe im Industrie- und Logistikbereich, aber auch im lebensmittelgeankerten Fachmarktsegment, ist der Anteil von Portfoliotransaktionen mit 24 Prozent auf deutlich höherem Niveau als noch vor einem Jahr. Sie tragen auch wesentlich zur räumlichen Streuung des Investmentvolumens außerhalb der TOP 7 bei.

Im Gegensatz dazu stehen Investoren großvolumigen Büroimmobilien unter dem Eindruck struktureller Umbrüche unverändert zurückhaltend gegenüber. In den vergangenen drei Monaten wurden in diesem Segment erstmals seit der Finanzkrise in einem Quartal weniger als 1 Milliarde Euro investiert, womit der Marktanteil auf 16 Prozent absank und Büros weiterhin nur den dritten Platz unter den umsatzstärksten Nutzungsarten belegen. Das Münchener Büro- und Geschäftsgebäude in der Rosenstraße 8, das von der insolventen Signa Prime Selection im Rahmen der Projektentwicklungsmaßnahme Romy repositioniert werden sollte und nun an einen lokalen Privatinvestor für rund 85 Millionen Euro verkauft wurde, ist als größter bundesweiter Bürodeal erst auf Platz 13 aller Gewerbeimmobilientransaktionen zu finden.

Das Ausbleiben von Landmarkdeals in diesem Segment belastet vor allem das Marktgeschehen der sieben deutschen Investmentzentren, die mit 44 Prozent Marktanteil erneut weniger als die Hälfte des gesamtdeutschen Transaktionsvolumens auf sich vereinen. Insbesondere der Rückzug von institutionellen Anlegern wie Offene Immobilien- und Spezialfonds hält an. So verzeichnete die einst stärkste Anlegergruppe seit August 2023 weiterhin Nettokapitalabflüsse, wenn auch zuletzt mit nachlassender Tendenz.

Erster Zinsschritt entscheidend für weitere Marktbelebung

Achim Degen, CEO bei Colliers: „Die Bodenbildung am Investmentmarkt geht in die Verlängerung. Die Rückkehr des Investorenvertrauens auf breiter Basis, insbesondere in das Bürosegment, wird erst mit einer besseren Kalkulierbarkeit des Anlagerisikos und zugleich niedrigeren Finanzierungskosten einhergehen. Hier erwarten wir ab der zweiten Jahreshälfte eine Entspannung, wenn mit der ersten Zinssenkung das Ende der Reflationsphase eingeläutet wird. Angesichts der in den Kernmärkten Europas gesunkenen Inflation, die sich dem EZB-Ziel von 2 Prozent zunehmend annähert, ist dieses Szenario wahrscheinlich, auch wenn die globale Konjunktur weiter schwach bleibt und die FED ihren ersten Zinsschritt nach hinten verlagert.“

Objekte aus Insolvenzen machen 12 Prozent des Transaktionsvolumens aus

Das Transaktionsvolumen von Einzelhandelsimmobilien hat sich um 40 Prozent reduziert und lag Ende März gleichauf mit dem Bürosegment unter der 1-Milliarde-Euro-Schwelle. Im Vorjahr sorgten allerdings auch Sondereffekte für die Spitzenplatzierung nach Marktanteilen. Aktuell ist die Nutzungskategorie auf den dritten Platz zurückgefallen. Jedoch tragen innerstädtische Objekte mit bedeutsamem Einzelhandelsbesatz wie das Münchener Luxusensemble in der Maximilianstraße 12-14 wesentlich dazu bei, dass gemischt genutzte Immobilien erstmals mit einem Volumenanteil von 18 Prozent auf Rang 2 zu finden sind. Mit deutlich über 200 Millionen Euro ist der erwähnte Verkauf der ebenfalls insolventen Centrum Holding an einen von der Commerz Real vertretenen Privatanleger einer der 12 Großdeals im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich.

Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight bei Colliers: „An diesem Beispiel zeigt sich, wo aktuell Marktaktivität zu beobachten ist. So gelangen seit Jahresbeginn vermehrt Projekte und Objekte von Projektentwicklern an den Markt, die seit letztem Sommer Insolvenz angemeldet haben. Hier bieten sich vor allem eigenkapitalstarken Investoren attraktive Opportunitäten, in Bestlagen an Immobilien zu gelangen, die im Bieterwettbewerb der letzten Jahre unerschwinglich geworden waren oder gar nicht erst gehandelt wurden. Insgesamt waren im abgeschlossenen Quartal rund 700 Millionen Euro beziehungsweise 12 Prozent des Transaktionsvolumens auf solche Abschlüsse zurückzuführen. Gemessen am Verwertungsvolumen von Gewerbeimmobilien, die sich im Portfolio überregionaler, in Insolvenz geratener Projektentwickler in den TOP 7 befinden und nach eigenen Untersuchungen rund 8 Milliarden Euro betragen, ist dies erst ein kleiner Teil, der an den Markt gelangt ist. Auch Bestandshalter, die aufgrund von Wertabschreibungen oder Refinanzierungsbedarf unter Verkaufsdruck geraten, werden kurz- bis mittelfristig das Produktangebot erhöhen. Hierfür steht beispielhaft der Abverkauf eines 14 Objekte umfassenden Einzelhandelsportfolios der Deutschen Konsum REIT, der kurz vor Quartalsende bekannt gegeben wurde.“

Insgesamt waren Projektentwickler zwischen Januar und März mit 23 Prozent die umsatzstärkste Verkäufergruppe. Auf der Käuferseite waren erstmals Privatinvestoren und Family Offices neben Asset- und Investmentmanagern mit jeweils 1,1 Milliarden Euro bzw. 19 Prozent Marktanteil die aktivsten Käufergruppen.

Nur noch geringe Renditeanpassungen zu beobachten

Insgesamt wurden in den vergangenen drei Monaten nur noch vereinzelt Anpassungen bei den Spitzenrenditen in den TOP 7 registriert. Die Renditen liegen eng beieinander, insbesondere im Bürosegment mit Werten zwischen 4,50 und 5,00 Prozent. Zunehmender Verkaufsdruck und weiter abwartende Nachfrage vor allem des institutionellen Kapitals könnte aber noch vereinzelt zu leichteren Renditeanstiegen führen.

Ausblick: Investmentmarkt bleibt vorerst in Abwartehaltung

Degen: „Gegenüber dem Jahresende 2023 hat sich die konjunkturelle Aussicht weiter eingetrübt. Mehr als ein Nullwachstum ist laut Aussage der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute für das Gesamtjahr 2024 nicht zu erwarten, was die Vermietungsmärkte zusätzlich belasten wird. Die Zinsen bleiben auf hohem Niveau, auch wenn abnehmende Volatilität und die realistische Annahme einer Zinssenkung zur Jahresmitte viele Investoren zu erhöhten Sondierungsaktivitäten anregen. Die gegenüber der Boomphase geringere Zahl aktiver Käufergruppen, die durch hohe Finanzierungkosten und gestiegene Eigenkapitalanforderungen gebundene Liquidität sowie der Preisdruck und die Fokussierung auf Abschlüsse mit kleinem Volumen werden bis auf Weiteres das Transaktionsvolumen beschränken. Trotz allem gibt es aktuell viele interessante Opportunitäten, die erste Investoren bereits in den letzten Monaten wieder zu Immobilieninvestitionen veranlasst haben.“

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