Berliner Investmentmarkt 2023 deutlich abgekühlt
- Gewerbliches Transaktionsvolumen liegt 2023 bei 3,2 Milliarden Euro
- Bürotransaktionen fallen auf den niedrigsten Stand seit 2009
- Spitzenrenditen stehen kurz vor der 5-Prozent-Marke
- Family Offices und Eigennutzer sind verstärkt am Markt aktiv
- Institutionelle Investoren sehr zurückhaltend, allerdings zeichnet sich Talsohle mit sukzessiver Belebung in 2024 ab
Berlin, 08. Januar 2024 – Nach Angaben von Colliers wurden auf dem Berliner Investmentmarkt im Jahr 2023 Gewerbeimmobilien für 3,2 Milliarden Euro gehandelt. Das Ergebnis liegt 64 Prozent unter dem Vorjahr, während das zehnjährige Mittel von 7,5 Milliarden Euro ebenfalls deutlich verfehlt wird (-58 Prozent).
Ulf Buhlemann FRICS, Head of Capital Markets bei Colliers in Berlin: „Im vergangenen Jahr hat sich die stark reduzierte Marktaktivität auch auf dem Berliner Markt in einem deutlich gefallenen Transaktionsvolumen bemerkbar gemacht. Das Volumen sank seit Sommer 2022 fünf Quartale in Folge. Schlugen im ersten Quartal 2023 noch fast 1,2 Milliarden Euro zu Buche, wurden im vergangenen vierten Quartal rund 580 Millionen Euro registriert. Von einer Jahresendrallye kann daher keine Rede sein. Vielmehr haben zahlreiche Marktteilnehmer auch nach der Expo Real eine abwartende Position eingenommen. Neben strategischen Anteilserwerbern nutzen insbesondere eigenkapitalstarke Family Offices, private Investoren und auch Eigennutzer die Marktphase für Ankäufe. Demzufolge waren strukturierte und vor allem großvolumige Verkaufsprozesse rar gesät. Es dominierten kleinvolumige Transaktionen bis 50 Millionen Euro. Stattdessen waren Refinanzierungen im Rahmen von Zwangsprolongationen im vergangenen Jahr die häufigste bzw. die einzige Handlungsalternative.“
Strategische Anteilserwerbe dominieren Transaktionsvolumen
Das auf 3,2 Milliarden Euro stark geschrumpfte Transaktionsvolumen wird dabei von Anteilsverkäufen und strategischen Erwerben geprägt. So trennte sich allein die Signa AG im vergangenen Jahr in Berlin von Immobilienwerten in Höhe von 1,7 Milliarden Euro und vereinte damit 54 Prozent des Marktanteils auf sich. Verkauft wurden unter anderem Anteile vom KaDeWe, vom Kaufhof am Alexanderplatz, von der Hochhausprojektentwicklung „Mynd“ sowie vom Büroprojekt „BEAM“.
Einzelhandel an der Spitze, gefolgt von Büros und Grundstücken
Der Teilverkauf des KaDeWe schlägt sich entsprechend in den Assetklassen nieder – Einzelhandel belegt mit einem Volumen von 1,3 Milliarden Euro und einem Marktanteil von 42 Prozent den Spitzenplatz. Neben dem Luxuswarenhaus bleiben aber auch Fachmärkte und Fachmarktzentren mit Lebensmittelanker weiterhin gefragt.
Bürotransaktionen rutschten mit rund 775 Millionen Euro (25 Prozent Marktanteil) auf den zweiten Platz. Das ist das niedrigste Transaktionsvolumen seit der Finanzkrise 2009. Gezählt wurden 22 Transaktionen. Außer den Anteilserwerben erfolgte keine Bürotransaktion für über 60 Millionen Euro. Family Offices und Eigennutzer kauften für den langfristigen Bestand am häufigsten ein und waren oft bereit höhere Faktoren als die institutionellen Investoren zu bezahlen.
Knapp dahinter reihten sich Grundstücke mit 710 Millionen Euro ein. Neben Verkäufen von unter Druck geratenen Entwicklern, so trennte sich Centrum von einem Projekt in der Gutenbergstraße, rücken auch alternative Nutzungen wie Rechenzentren in den Fokus. Wenn gestiegene Baukosten und Vermietungsrisiken sowie gesunkene Exit-Preise mit eingepreist werden, besteht bei Grundstücken weiterhin ein sehr hohes Investoreninteresse, was die langfristig attraktiven Rahmenbedingungen des Berliner Marktes unterstreicht.
Spitzenrenditen stehen kurz vor 5-Prozent-Marke
Die Bruttospitzenrendite für Berliner Bürogebäude klettert zum Jahresende auf 4,90 Prozent, damit liegt sie 120 Basispunkte über dem Vorjahr.
Kemal Zeyveli FRICS, Regional Manager bei Colliers in Berlin: „Die Preisfindung hat sich als zentrales Thema durch das Jahr gezogen. Trotz der angezogenen Renditen liegen die Erwartungen vieler Investoren noch leicht über den aktuell ausgewiesenen Werten, weshalb zahlreiche Transaktionen weiterhin nicht zum Abschluss kommen. Aufgrund der mangelnden Evidenz sind die Renditen unter anderem kalkulatorisch bzw. aus laufenden Prozessen und Gesprächen mit Investoren abgeleitet. Zudem driften die Renditen je nach Lage und Segment auseinander – während für Top-Produkte in 1a-Bürolagen 4,90 Prozent möglich sind, sehen wir für B-Lagen und am Stadtrand in der Spitze bis zu 5,40 bzw. 5,90 Prozent mit geringer Transaktionsaktivität. Family Offices zahlen für ausgewählte Produkte einige Faktoren mehr, allerdings ist dieser Markt in Berlin traditionell eher klein.“
Im Einzelhandel zogen High Street-Objekte auf 4,90 Prozent an, während Fachmärkte und Fachmarktzentren – insbesondere mit Lebensmittelanker – aufgrund der hohen Nachfrage nur leicht darüber bei 5,30 Prozent liegen. Industrie & Logistik liegt mit 4,70 Prozent unter Büros und Einzelhandel, während Hotels bei 5,50 Prozent notieren.
Nationale Investoren kaufen an, internationales Kapital ergreift Verkaufschancen
Internationale Ankäufer lagen mit einem Anteil von 46 Prozent auf dem Niveau des langjährigen Mittels, dennoch findet sich unter den kaufenden Family Offices und Eigennutzern viel deutsches Kapital. Im Gegenzug verkauften ausländische Akteure – insbesondere getrieben durch die Signa-Verkäufe – für 61 Prozent überproportional viel.
Core-Investments machen mit 48 Prozent bzw. 1,5 Milliarden Euro zwar die Mehrheit des Transaktionsvolumens aus, allerdings ist der Löwenanteil hiervon auf Anteilserwerbe zurückzuführen. Die Anteile der Risikoklassen Core Plus und Value Add fallen mit 19 sowie 9 Prozent ebenfalls unterdurchschnittlich aus. Opportunistische Investments haben mit 22 Prozent sowie 700 Millionen Euro stark zugenommen. „Insbesondere im Bereich insolventer Projektentwickler sehen wir erste Verkäufe von ‚distressed assets‘, was im Verlauf der nächsten Monate noch zunehmen wird. Opportunistisches Kapital prüft diese Fälle intensiv“, so Buhlemann.
Ausblick: Talsohle erreicht mit sukzessiver Belebung in 2024
„Die Großwetterlage beginnt sich langsam zu ändern – die sinkende Inflation bei gleichzeitiger Abkühlung der Weltwirtschaft führte bereits zu fallenden Zinsen. Zudem nimmt die Refinanzierungslücke weiter zu – viele Finanzierungen aus dem Niedrigzinsumfeld laufen aus. Darüber hinaus werden Gläubiger einen höheren Druck ausüben und sich von einigen Engagements verabschieden, sodass neue Opportunitäten entstehen werden. Wir erwarten daher nach einem ruhigen Jahresanfang über das gesamte neue Jahr hinweg eine sukzessive Marktbelebung – insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Berliner Markt neben seinen attraktiven Rahmenbedingungen eine große Bandbreite an Produkt bietet: Neben werthaltigen ESG-konformen Büroneubauten mit modernen Arbeitskonzepten stehen ebenso Value Add-Produkte mit großem Upside-Potenzial für Refurbishments zur Verfügung“, schlussfolgert Zeyveli.
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