Definition, Formel und Berechnungsbeispiel für Immobilien
Das Ertragswertverfahren ist eines der zentralen Verfahren zur Wertermittlung von vermieteten oder gewerblich genutzten Immobilien. Anders als beim Sachwert- oder Vergleichswertverfahren steht hier nicht der reine Substanzwert, sondern die zu erwartenden Erträge der Immobilie im Fokus. Gerade für Vermieter und Investoren von Immobilien ist dieses das Ertragswertverfahren von großer Relevanz, da es die wirtschaftliche Perspektive auf ein Objekt abbildet. In diesem Artikel erklären wir detailliert, was das Ertragswertverfahren bei Immobilien bedeutet, wie es funktioniert und wo es angewendet wird.
Was ist das Ertragswertverfahren?
Das Ertragswertverfahren dient der Bewertung von Immobilien, deren Wert maßgeblich durch ihre Mieteinnahmen bestimmt wird. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie viel Ertrag kann eine Immobilie erzielen? Dabei wird zwischen dem Bodenwert und dem Wert des Gebäudes unterschieden. Während der Bodenwert separat ermittelt wird, basiert der Gebäudeertragswert auf den künftigen Erträgen abzüglich der Bewirtschaftungskosten. Die gesetzlichen Regelungen zur Ermittlung des Immobilienwertes finden sich in der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV).
Unterschiede zu Sachwertverfahren und Vergleichswertverfahren
Im Vergleich zum Sachwertverfahren, das den Neubauwert abzüglich Abschreibungen ermittelt, oder dem Vergleichswertverfahren, das auf Marktpreisen ähnlicher Objekte basiert, stellt das Ertragswertverfahren die zukünftige Rentabilität in den Vordergrund.
Anwendungsbereiche
Das Ertragswertverfahren kommt bei unterschiedlichen Immobilien zum Einsatz:
- Vermietete Wohnimmobilien: Hier wird das Verfahren zur realistischen Wertbestimmung herangezogen, etwa bei Verkaufsabsicht, Beleihung oder steuerlicher Bewertung.
- Gewerbeimmobilien: Für Bürogebäude, Lagerhallen oder Einzelhandelsflächen ist es besonders geeignet, da Erträge die entscheidende Bewertungsgröße darstellen.
- Spezialimmobilien: Auch bei Pflegeheimen, Hotels oder Kinos findet das Verfahren Anwendung – vorausgesetzt, regelmäßige Erträge sind nachweisbar.
Berechnungsgrundlagen
Die Kernelemente des Ertragswertverfahrens für Immobilien sind:
- Rohertrag: Die Jahresnettokaltmiete eines Objekts – die Bruttobasis für die Ertragsbewertung.
- Bewirtschaftungskosten: Dazu zählen Verwaltung, Instandhaltung, Mietausfallwagnis.
- Reinertrag: Ergibt sich durch Abzug der Bewirtschaftungskosten vom Rohertrag.
- Bodenwertverzinsung: Die Bodenwertverzinsung ergibt sich aus dem Bodenwert multipliziert mit dem Liegenschaftszinssatz
- Vervielfältiger: Ein Faktor, der zur Kapitalisierung des Reinertrags verwendet wird.
Formel des Ertragswertverfahrens
Die vereinfachte Formel für die Ermittlung des Ertrages einer Immobilie lautet:
Ertragswert = Gebäudeertragswert + Bodenwert +/- Wert
Die detaillierte Formel setzt sich wie folgt zusammen:
Rohertrag
- Bewirtschaftungskosten
= Grundstücksreinertrag (RE)
- Bodenwertverzinsung
= Gebäudereinertrag
x Vervielfältiger (V)
= Gebäudeertragswert
+/- sonstige wertbeeinflussende Umstände
+ Bodenwert (BW)
= Ertragswert
Beispielrechnung
Nachfolgend erklären wir die Berechnung des Ertragswertverfahrens Schritt für Schritt anhand eines Berechnungsbeispiels:
Schritt 1: Ermittlung des Grundstücksreinertrags (RE)
Grundstücksreinertrag = Rohertrag – Bewirtschaftungskosten
= 96.000 € – 26.000 €
= 70.000 € (jährlicher Reinertrag)
Schritt 2: Ermittlung des Gebäudereinertrags
Gebäudereinertrag = Grundstücksreinertrag (RE) – Bodenwertverzinsung
= 70.0000 € – 5 %
=70.0000 € - 3.500
= 66.500 € Gebäudereinertrag
Schritt 3: Berechnung des Gebäudeertragswerts
Berechnung des Gebäudeertragswerts:
Multiplizieren des Gebäudereinertrags mit dem Vervielfältiger, der aus der Restnutzungsdauer und dem Liegenschaftszins ermittelt wird.
Gebäudeertragswert = Gebäudereinertrag × Vervielfältiger
= 66.500 € × 19,6
= 1.303.400 €
Schritt 4: Ertragswert der Immobilie berechnen
Ertragswert = Gebäudeertragswert + Bodenwert +/- Wert
= 1.303.400 € + 350.000 €
= 1.6523.400 €
Vereinfachtes Ertragswertverfahren
Das vereinfachte Ertragswertverfahren für Immobilien kommt vor allem bei standardisierten Objekten oder im steuerlichen Kontext zur Anwendung, z. B. bei der Erbschafts- oder Schenkungssteuer.
Anwendungsfälle
Es ist besonders nützlich, wenn detaillierte Daten fehlen oder eine schnelle Orientierung erforderlich ist – etwa bei kleinen Mietobjekten.
Berechnungsschritte
Hier werden standardisierte Liegenschaftszinssätze und Bewirtschaftungskosten verwendet. Das Rechenmodell folgt dem oben genannten Schema, ist jedoch stärker pauschaliert.
Vor- und Nachteile
Vorteile
- Marktnähe: Bewertet Immobilien realistisch auf Basis erzielbarer Einnahmen.
- Flexibilität: Sowohl einfache als auch komplexe Immobilien können bewertet werden.
- Transparenz: Besonders bei gewerblichen Investoren anerkannt.
Nachteile
- Datenabhängigkeit: Ohne verlässliche Einnahmedaten keine sinnvolle Anwendung.
- Nicht geeignet für selbstgenutzte Immobilien.
- Liegenschaftszinsatz
- kann den Wert stark beeinflussen
- wird nicht von allen Kommunen ermittelt.
- Transaktionskosten werden nicht berücksichtigt
Fazit
Das Ertragswertverfahren ist ein essenzielles Instrument zur Bewertung vermieteter Immobilien. Es bildet die wirtschaftliche Realität eines Objekts relativ zuverlässig ab – sei es zur Kaufpreisfindung, Beleihung oder Steuerbewertung. Besonders Vermieter und Investoren profitieren vom strukturierten Bewertungsansatz. Wer Immobilienbesitz plant oder verwaltet, sollte das Verfahren und seine Grundlagen gut kennen – und im Zweifel professionelle Beratung einholen.