Niedrige Wohneigentumsquote in Deutschland ist kein Skandal
• Deutsches Mietrecht und Mietspiegel schaffen Sicherheit für Mieter
• Vergleiche zu anderen Ländern sind oft irreführend
• Hohe Mietquote ist attraktiv für nationale und internationale Investoren
Frankfurt, 8. Februar 2024 – Nach Zahlen von Eurostat liegt die Quote von Deutschen, die in ihrem Heimatland über Wohneigentum verfügen, bei 47 Prozent. Das sind satte 22 Prozent weniger als der Durchschnitt aller EU-Staaten. Unter den Kommentatoren des deutschen Wohnmarktes ist es üblich, die hohe Mietquote von 53 Prozent als gesellschaftlichen Nachteil zu brandmarken, weil die Schaffung von Wohneigentum noch immer als sicherste Form der Altersvorsorge gilt. „Es ist richtig und wichtig, dass sich insbesondere junge Menschen vermehrt mit den Möglichkeiten von Wohninvestments beschäftigen sollten, um Eigentum zu bilden. Viele sind von den vermeintlich hohen Einstiegspreisen abgeschreckt und fokussieren sich deshalb nicht auf die langfristigen Vorteile. Genauso richtig ist aber, dass der deutsche Mietmarkt im internationalen Vergleich ein außergewöhnlich hohes Maß an Mieterschutz und Markttransparenz bietet. Das Mieten einer Wohnung ist in Deutschland daher deutlich attraktiver als in den meisten anderen europäischen Ländern und dieser Punkt wird in der Analyse häufig ausgeblendet“, sagt Felix von Saucken, Head of Residential bei Colliers in Deutschland.
Andere Bevölkerungsdichte im östlichen Europa
In Ländern des östlichen Europas beispielsweise ist die Wohneigentumsquote deutlich höher als in Deutschland. Rumänien liegt mit einer Quote von 94,8 Prozent im europäischen Vergleich an der Spitze, gefolgt von der Slowakei, Serbien, Kroatien, Montenegro und Ungarn, die alle eine Wohneigentumsquote von über 90 Prozent aufweisen. „In eher ländlich geprägten Regionen liegt die Wohneigentumsquote per se höher als in eher städtisch geprägten Regionen. Rumänien beispielsweise hat 86 Einwohner pro Quadratkilometer, in Deutschland sind es 234. Außerdem bringen die hohen Eigentumsquoten in den östlichen Ländern auch gesellschaftliche Nachteile mit sich. Vor allem junge Menschen sind in ihrer Mobilität deutlich eingeschränkter als in Deutschland, weil es in den Städten kaum Mietangebot gibt. Insofern lässt sich die hohe soziale Mobilität in Deutschland durch einen lebendigen Mietmarkt auch als Vorteil deuten, um etwa eine gute Ausbildung zu machen oder die Karrierechancen durch einen vereinfachten Jobwechsel zu steigern“, erläutert von Saucken.
Niedrigere Erwerbskosten und kleinere Wohnungen im Nachbarland Polen
Als vorbildliches Beispiel zur Altersvorsorge durch Immobilieninvestments wird häufig Polen genannt. Hier liegt die Wohneigentumsquote bei 87 Prozent. Im Vergleich zu Deutschland fällt einerseits auf, dass die Erwerbskosten für Wohneigentum in Polen deutlich niedriger sind und dass auf dem polnischen Markt vor allem 1 bis 2 Zimmer Wohnungen produziert werden, um die Nachfrage zu bedienen. Dadurch verfügen die polnischen Wohnungen im Durchschnitt über 19 Quadratmeter weniger pro Person als die Wohnungen am deutschen Markt. „Polen ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie stark der Gedanke an Altersvorsorge durch Wohneigentum gesellschaftlich verankert ist und wie früh sich junge Menschen bereits mit der Erwerbsfrage beschäftigen. Sicher haben wir in Deutschland die Aufgabe, Wohnungen nicht nur für die gehobene Mittelschicht zu bauen, sondern eine potenziell breite Käuferschicht anzusprechen. Trotzdem halte ich es für fraglich, ob sich die deutschen Nutzer von Wohnungen mit den polnischen Standards anfreunden könnten oder den kleineren Wohnraum nicht vielmehr als Abwertung ihres Lebensstils empfänden“, kommentiert von Saucken.
Andere Finanzierungsbedingungen und staatliche Förderungen in Spanien
Auch die Länder des südlichen Europas weisen eine deutlich höhere Wohneigentumsquote auf als Deutschland. In Portugal liegt sie bei 78 Prozent, in Spanien bei 76 Prozent und in Italien bei 74 Prozent. Damit ein Vergleich zu Deutschland möglich ist, lohnt sich hier ebenfalls ein genauerer Blick auf die Marktstrukturen. In Spanien beispielsweise haben Banken andere Standards zur Finanzierung von Wohneigentum als in Deutschland. Während deutsche Banken zum Teil auf bis zu 30 Prozent Eigenkapital der Käufer bestehen, um eine Finanzierung zu ermöglichen, sind die Finanzierungskonditionen in Spanien weniger restriktiv gehandhabt. In Zeiten der lockeren Geldpolitik war es in Spanien keine Seltenheit, einen Wohnungskauf zu 100 Prozent mit einem Bankdarlehen zu finanzieren. Zudem war der Bau bezahlbarer Wohnungen in Spanien lange Zeit politisch stark gefördert, was bis heute in diversen Regionen zu massiven Leerständen in Folge des demografischen Wandels führt. „Die sorgfältige Finanzierungsprüfung deutscher Banken bei Wohninvestments hat unter anderem dazu geführt, dass Deutschland besser durch die Finanzkrise von 2008 gekommen ist als andere europäische Staaten. Daher sollten wir hier von den hohen deutschen Standards auch nicht abweichen, um Kreditausfallrisiken weiterhin niedrig zu halten und den Finanzmarkt zu stabilisieren“, sagt Felix von Saucken.
Hohe deutsche Mietquote als attraktiver Marktfaktor
Insgesamt verschafft die hohe Mietquote dem Wohnmarkt in Deutschland einen Sonderstatus, der ihn für nationale und internationale Investoren besonders attraktiv macht. Einerseits sind Mieter durch ein ausgewogenes Mietrecht und einen transparenten Mietspiegel vor Willkür der Eigentümer geschützt, andererseits verfügen die Eigentümer über wirtschaftlich vertretbare Hebel zur kontinuierlichen Mietsteigerung. „Ein guter Mieterschutz ist die Basis für den stabilen Wohnmarkt in Deutschland. Trotz geringerer Eigentumsquoten müssen wir daher den Vergleich zu anderen europäischen Ländern nicht scheuen. Der deutsche Markt bietet in Summe beides: Planbarkeit für Mieter und für Investoren. Auf diesen Sonderstatus in Europa dürfen wir auch ein Stückweit stolz sein. Das Ziel, die Eigentumsquote in Deutschland durch eine bessere Finanzbildung bei jungen Menschen zu steigern, lässt sich mit diesem Sonderstatus ohne Weiteres vereinen“, bilanziert von Saucken.
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