Investmentmarkt mit schwacher Halbjahresbilanz

  • Transaktionsvolumen des ersten Halbjahres knapp über der 10-Milliarden-Euro-Marke
  •  Zurückhaltung bei großvolumigen Transaktionen bleibt ausgeprägt, Portfoliohandel besonders betroffen
  • Allmähliche Marktbelebung vom kleinvolumigen Value Add-Segment ausgehend spürbar
  • Erneute Renditeanstiege auf breiter Ebene, Annäherung bei der Preisfindung zwischen Eigentümer und Investor
  • Bei Logistikimmobilien Preispunkt gefunden

Frankfurt/Main, 5. Juli 2023 – Nach Angaben von Colliers wurden im ersten Halbjahr 2023 Gewerbeimmobilien für 10,1 Milliarden Euro veräußert, das Volumen verteilt sich zu fast gleichen Teilen auf die beiden zurückliegenden Quartale. Damit hat seit Jahresbeginn eine Stabilisierung des Investmentmarktgeschehens auf niedrigem Niveau stattgefunden. Der Zehnjahresdurchschnitt für das erste Halbjahr liegt mit 22,8 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch. Das über 12 Monate kumulierte Transaktionsvolumen, das den Zeitraum von Beginn des Zinserhöhungszyklus der EZB im Juli 2022 bis Ende Juni 2023 umfasst, ist im Vergleich zum Gesamtjahr 2021, also dem letzten Jahr vor der Zinswende, um 43 Prozent von 60,1 auf 34,2 Milliarden Euro zurückgegangen.

Matthias Leube, CEO & Head of Capital Markets bei Colliers: „Der zinsgetriebene zwölfjährige Superzyklus am Investmentmarkt ist vorüber. Immobilien müssen sich in der Anlegergunst wieder dem Wettbewerb mit Staats- und Unternehmensanleihen sowie Aktien stellen. Auch wenn Immobilienrenditen auf breiter Front gestiegen sind, hat sich die Risikoprämie für Immobilieninvestments deutlich verringert.“ So stiegen beispielsweise die Bürospitzenrenditen im Durchschnitt der TOP 7 zwischen April und Juni erneut um rund 15 Basispunkte auf 4,30 Prozent und liegen damit nur noch knapp 200 Basispunkte über zehnjährigen deutschen Staatsanleihen. Am Ende des ersten Quartals 2022 und damit vor Kriegsbeginn in der Ukraine und der Zinswende betrug der Spread noch 270 Basispunkte. „Bereits seit Anfang 2021 haben sich die Zu- und Abschlüsse in Immobilien-AIF in Deutschland die Waage gehalten. Zuletzt überwogen die Abflüsse deutlich. Dem Markt steht also weniger Dry Powder vor allem von klassischen deutschen Core-Investoren zur Verfügung“, kommentiert Leube.

Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight bei Colliers, ergänzt: „Gleichzeitig dämpfen die anhaltend hohen Finanzierungskosten das Investmentgeschehen – und zwar nicht nur bei Ankäufen. Für die Jahre 2023 bis 2030 haben wir eine Fremdfinanzierungslücke von 28 Milliarden Euro ermittelt. Diese entspricht rund 14 Prozent des Transaktionsvolumens von 2018 bis 2021, als die überwiegende Zahl der zu refinanzierenden Transaktionen geschlossen wurde. Dieses Kapital wird in den nächsten Jahren für Ankäufe nicht zur Verfügung stehen.“

Anhaltend starke Kaufzurückhaltung bei Großabschlüssen und Portfolios
Wie schon im ersten Quartal 2023 beobachtet, fehlten vor allem großvolumige Einzelabschlüsse und Portfolios in dem weiter herausfordernden Marktumfeld. Lediglich 15 Transaktionen im dreistelligen Millionen Euro Bereich, darunter gerade sechs in der Größenordnung von über 250 Millionen Euro, wurden in den vergangenen sechs Monaten gezählt. Als größter Einzeldeal gesellte sich zur 50-prozentigen Übernahme des Berliner Luxuswarenhauses KaDeWe aus dem ersten Quartal die Mehrheitsübernahme des Bürohochausprojektes Mynd und des Galeria Kaufhofs am Berliner Alexanderplatzes durch die Commerz Real. Der Marktanteil von Paketverkäufen verharrte unverändert bei historisch niedrigen 14 Prozent und wurde im zweiten Quartal vor allem von der Übernahme einer Minderheitenbeteiligung der Signa an acht Warenhäusern geprägt. Aber auch insgesamt ist die Anzahl der Transaktionen gegenüber dem Vorjahr um 40 Prozent auf rund 450 stark gesunken.

Berlin erreicht in diesem Umfeld die Spitzenposition als transaktionsstärkstes deutsches Investmentzentrum und überschreitet die Marke von 2 Milliarden Euro, gefolgt von München mit 607 Millionen Euro. Aber selbst die Bundeshauptstadt unterschreitet mit dem Ergebnis ihr fünfjähriges Durchschnittsvolumen um rund die Hälfte. Die restlichen fünf Top-Märkte verfehlen bis auf Düsseldorf allesamt die Halbe-Milliarde-Euro-Marke zum Teil deutlich. Durch das Ausbleiben von Büro-Landmark-Deals erreichen die TOP 7 zusammengenommen mit 45 Prozent einen deutlich unterdurchschnittlichen Anteil am deutschen Gesamtmarkt.

Die Assetklasse Büro bleibt wie schon im ersten Quartal mit einem Marktanteil von 24 Prozent hinter dem Einzelhandelssegment zurück, das es insbesondere wegen dreier marktprägender Großdeals (Signa-Anteilserwerb, KaDeWe, Anteilserhöhung der Deutschen Euroshop an fünf Einkaufszentren) auf 27 Prozent bringt. Logistik bleibt mit 19 Prozent stabil.

Repricing kommt allmählich zum Ende
Rückblickend auf die letzten drei Monate sind die Spitzenrenditen weiter gestiegen. Im Wesentlichen trugen neben den Finanzierungskosten der immer stärker thematisierte Restrukturierungsbedarf im Bestand hinsichtlich ESG- und New-Work-Konformität zu angepassten Renditeforderungen auf Käuferseite bei. Viele Investoren sind teilweise in Immobilien, aber besonders in Büros, überinvestiert und investieren nun verstärkt in Alternativen. Aktuell liegt das Bruttorenditeniveau in den TOP 7 Städten zwischen 4,20 Prozent in Berlin und München sowie 4,50 Prozent in Düsseldorf und Köln. Zwischen 10 und 20 Basispunkten stiegen auch die Spitzenrenditen im Highstreetbereich und liegen mit 4,25 Prozent etwas oberhalb der Bürorendite. Dagegen haben sich die Renditen von Logistikimmobilien bei 4,40 Prozent stabilisiert und auch im Residentialbereich sind die Unterschiede zwischen Käufern und Verkäufern nur noch marginal. Für die beiden letztgenannten Assetklassen gibt es weiterhin genügend Dry Powder. Leube: „Die Preiserwartungen von Bestandshaltern und Investoren nähern sich weiter an. Der erhöhte Druck wegen steigender Finanzierungskosten bringt Verkäufer verstärkt dazu, die neuen Preisrealitäten zu akzeptieren.“

Ausblick: Marktbelebung materialisiert sich erst nächstes Jahr
Leube abschließend: „Wir befinden uns an einem Wendepunkt und sehen, dass die Repricingphase allmählich zu einem Ende und nun auch vermehrt Produkt zu marktkonformen Preisen in den Markt kommen. Das Umfeld entwickelt sich dafür förderlich: Die Finanzierungskosten, gemessen an derzeitigen Swap Rates, sind seit Monaten weitgehend stabil. Die von der EZB angekündigten weiteren Zinsschritte sind vom Markt bereits eingepreist. Eine allmähliche Marktbelebung, die vor allem vom kleinvolumigen Core Plus/Value Add-Segment unter 50 Millionen Euro ausgeht, sowie die langwierigen Preisverhandlungen haben allerdings zur Folge, dass wir auch für die zweite Jahreshälfte weiterhin von einem im langjährigen Vergleich niedrigen Transaktionsvolumen ausgehen müssen. Es wird wohl im Gesamtjahr unter der 30 Milliarden Euro-Marke liegen.“

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